Kaminfeger St. Goar

Ausschnitt aus:

Spazzacamino Balthasar Sottocasa, Kaminfegerbube in St. Goar, 1765

(...)

Dass Airola ein wahrer Meister seines Fachs war, hatte damals den Hasenmüller wenig beeindruckt. Einen Kamin im Haus hielt er für überflüssig: die rußige Kruste, die der Rauch der Feuerstelle an den Wänden der Stube gebildet hatte, sollte man lieber nicht entfernen, sagte er. Er hielt die klebrige Schicht, die sich mit Speisedampf aus dem Kochtopf sowie mit den schwefligen Dämpfen des Rauchs, dazu mit Asche mischte, für wichtig. Sie sorge für Dichtigkeit und Festigkeit seines Hauses, erklärte er.

Die Arbeit eines Spazzocamino war ihm nicht geheuer. Diese ganze Clique der Italiener war ihm nicht geheuer. Das waren papsttreue Katholiken, die mit fremden Kindern arbeiteten und sie zu einem üblen Handwerk zwangen. Das eigene Kind durch Kamine schicken, die oft genug nicht einmal genügend abgekühlt waren? Der ehrbare Hasenmüller hielt auf sich. Ein Spazzacamino war kein geeigneter Zukunftsweg für seinen Jüngsten! Ein Katholik war keine gute Wahl als Schwiegersohn!

Balthasar nagte an seiner Unterlippe. Natürlich hatte der Hasenmüller in dieser Sache Recht. Jedermann in St. Goar wusste, dass der Bäcker nie den Backofen kalt werden lassen wollte, nur weil sein Kamin entrußt werden musste. Öfter als alle anderen Häuser war die Backstube dran. Mürrisch, ungeduldig und rücksichtslos schickte der Bäcker Balthasar immer den noch viel zu heißen Kamin hinauf. Dem Meister drohte er: „Was ich wegen dem – „ und er deutete auf Balthasar – „Was ich wegen dem nicht backen kann, kann ich nicht verkaufen. Und was ich nicht verkaufen kann, ziehe ich dir ab!“ Vor keiner Arbeit hatte Balthasar sich so sehr gefürchtet wie vor dem Auskratzen des Kamins vom Bäcker.

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